Abbild Smartwatch

Bild: Smartwatch (Quelle: ASYS Automatisierungssysteme GmbH)

Aktueller Stand im Fertigungsumfeld ist, dass sich Maschinenbediener vielfach selbst die für ihren Aufgabenbereich relevanten Informationen beschaffen müssen, zum Beispiel um Auftragsvorbereitungen oder Wartungsarbeiten, durchführen zu können. Tritt ein Fehler an einer Anlage auf, wird dieser über Signalsäulen angezeigt. „Sinnvoller ist es, wenn Apps dem Maschinenbediener die notwendigen, kontextspezifischen Informationen zum richtigen Zeitpunkt liefern“, sagt Dr. Klaus ­Wiltschi, Bereichsleiter Machinery bei der In-Tech Industry GmbH. Das rund 1 000 Mitarbeiter beschäftigende Unternehmen hat sich auf die Entwicklung industrieller Software und Systeme, unter anderem im Maschinenbau, spezialisiert. Den Einsatz von Smartphones halten die Experten dann für sinnvoll, wenn zusätzlich detaillierte Beschreibungen und Handlungsanweisungen angezeigt werden sollen. Ist es erforderlich, dass der Maschinenbediener beide Hände für seine Aufgaben frei hat und durch Vibrationsalarm trotzdem unmittelbar benachrichtigt wird, ist die Smartwatch die optimale Wahl.

Nach In-Tech-Verständnis erhält der Maschinenbediener bei Schichtbeginn sein präferiertes Endgerät, an dem er sich über einen Log-in oder mithilfe des Fingerabdrucks identifiziert. „Dadurch kann die persönliche Konfiguration, wie Zuständigkeitsbereich und anstehende Aufgaben, geladen werden“, sagt Thomas Sorg, Abteilungsleiter Machinery HMI bei In-Tech. „Außerdem können beispielsweise Sprache oder Signalisierungsart der Alarme als Präferenz gespeichert werden.“ Als Aufgaben definiert er Alarme über Stillstände und Fehlersitua­tionen oder Meldungen zur Sicherstellung des Betriebs, wie Nachfüllen von Material und Wartungsaufgaben. „Den zuständigen Mitarbeitern werden die Aufgaben in einer priorisierten Liste angezeigt, die die optimale Abarbeitungsreihenfolge vorgibt. Die Priorisierung erfolgt anhand der noch verfügbaren Zeit zur Erledigung – höchste Priorität haben Alarme“, erläutert T. Sorg.

Die In-Tech-Lösung nutzt Daten in Produktionsanlagen, die entweder über spezifische Schnittstellen von Maschinen oder einem MES zur Verfügung gestellt werden. „Eine zentrale Serverapplikation übernimmt die Datenaufbereitung und stellt die aggregierten Informationen in erforderlicher Form als JSON-Files über ein REST-Interface und Web Sockets allen mobilen Geräten zur Verfügung“, sagt Dr. K. Wiltschi. Diese Server-Software kann sowohl auf lokaler Server-Hardware in der Produk­tionsanlage als auch auf Cloud-Servern betrieben werden. Die Apps selbst sind plattformunabhängig als Cross Compiled Apps realisiert. „Gegenüber Native Apps reduzieren sich damit die Mehrkosten in der Entwicklung beim Einsatz weiterer mobiler Plattform“, so der Experte.

Fragen zur Security müssen aus Sicht der Experten bereits in der Designphase berücksichtigt und während der Entwicklungsphase gelöst werden. Zur Anwendung kommen State-of-the-Art-Technologien. „Die Kommunikation zwischen Server und Smart Device ist zusätzlich zur WLAN-Verschlüsselung über TLS (https) abgesichert. Man-in-the-Middle-Attacken werden durch den Einsatz von Zertifikaten verhindert. Sensitive lokale Daten werden verschlüsselt auf dem Smart Device abgelegt – je nach Device auch hardwareverschlüsselt“, informiert Dr. K. Wiltschi.

Mit Blick auf den Projektverlauf stellt er heraus: „Bei der Entwicklung einer Lösung sind viele Aspekte zu berücksichtigen und Fragen zu beantworten – die Entwicklung der App selbst ist nur ein Teil der Lösung.“ Deshalb hat In-Tech den „Fahrplan zur Digitalisierung“ entwickelt, der die drei Phasen Check, Beratung und Konzeption sowie Umsetzung umfasst, und den Kunden im Gesamtprozess unterstützt.

Praxisbeispiel: mittel­ständischer Automatisierungsdienstleister

Und wer sind nun die Anwender solcher Apps und wie sieht eine Lösung in der Praxis aus? Hier nennt Dr. Stefan Hennig einen konkreten Fall aus seinem Umfeld. Er ist Geschäftsführer der Monkey Works GmbH, die eine Softwarelösung zur Entwicklung mobiler Apps anbietet, mit denen sich Maschinen und Anlagen überwachen lassen. „Wir haben für einen mittelständischen Automatisierungsdienstleister mit insgesamt ca. 50 An­gestellten eine passende App entwickelt“, erzählt er. Das Unternehmen konstruiert, entwickelt, installiert und nimmt verschiedene Anlagen weltweit in Betrieb. Dabei reicht das Portfolio von Anlagen zur Wasseraufbereitung bis hin zu verfahrenstechnischen Anlagen und solchen zur Halbleiterfertigung. Kunden sind unter anderem Konzerne aus der Pharmazie, Kommunen, Unternehmen aus der Halbleiter- und Fertigungstechnik sowie aus dem Automobilbau.

„Für die Installation und Inbetriebnahme einer mobilen Alarmierungslösung in einer chemisch-technischen Anlage bestanden besondere Anforderungen“, sagt Dr. S. Hennig und konkretisiert: „Wartungstechnikern müssen auch in Bereitschaft Störmeldungen zur Verfügung stehen. In diesem konkreten Fall schlossen jedoch Vorschriften zur Daten- und Prozesssicherheit den Zugriff auf Alarme und aktuelle Prozessdaten von außerhalb des Unternehmensnetzwerks aus. Sogar der Zugriff über VPN war nicht möglich.“ Auf der anderen Seite ist die garantierte Information über Störungen und die Bereitstellung der entsprechenden Daten natürlich erforderlich, um die Störung schnellstmöglich zu beseitigen.

Zur Lösung dieser Aufgabenstellung wurde zusammen mit Monkey Works ein technisches und organisatorisches Konzept erarbeitet und implementiert. „Die Basis bildet eine mobile Industrie-App für ,iOS‘ und Android in Verbindung mit einer Smartwatch, Apple Watch und ,Garmin fēnix 3‘“, sagt Dr. S. Hennig. Dem Wartungstechniker werden Alarme in Form von sogenannten Push Notifications zugestellt. „Auf seinem Smartphone geht die nachfolgende Meldung ein, ohne dass die App geöffnet sein muss. Die am Handgelenk eng anliegend getragene Smartwatch puckert – sodass der Alarm nicht unbemerkt bleibt“, erklärt er.

Am Handgelenk beschafft sich der Wartungstechniker dann erste Details, etwa die Alarmnummer und die Alarmschwelle. „Somit weiß er, welcher Anlagenteil betroffen ist und welche Maßnahmen einzuleiten sind. Befindet sich der Wartungstechniker innerhalb des Unternehmensnetzwerks, kann er seine App öffnen und sieht weitere Details zum Alarm sowie aktuelle Prozessdaten“, sagt der Geschäftsführer.
Technisch ist die Aufgabenstellung mit der HMI Suite von Monkey Works folgendermaßen gelöst: Prozessnah ist der Process-Hub installiert, der Prozesswerte überwacht und Alarme über die Push-Netzwerke von Apple und Google an die Smartphones ausliefert. Mit der Workbench wurde die Alarm-App mit Alarmlisten und Apps für die Smartwatches realisiert und für „iOS“ und Android umgesetzt. Die Apps empfangen nun Alarme, auch ohne direkte Verbindung zum Process-Hub. Ist die Verbindung hergestellt, ist der Zugriff auf Alarmdetails und Prozessdaten möglich.

„Smartwatches sind meist auf ein verbundenes Smartphone angewiesen, um den vollständigen Funktionsumfang nutzbar zu machen. Das Display einer Smartwatch ist nicht geeignet, um detailreiche Informationen auszugeben. Eine Eingabe von Daten ist nur über Sprachbefehle möglich, was in lauten Umgebungen schwierig sein kann“, führt Dr. S. Hennig als Nachteile an. Dennoch eignen sich Smartwatches aus seiner Sicht zur Unterstützung mobiler Interaktionsszenarien, beispielsweise als Alarmierungshelfer oder zur Ausgabe von Anweisungen, wenn beide Hände das Werkzeug bzw. Werkstück greifen.

„Smartwatches liefern außerdem Daten über den Gesundheitszustand des Trägers. Somit stellt sich die Frage nach einer verantwortungsvollen Nutzung dieser Daten im Produktionsumfeld“, führt der Experte einen weiteren Aspekt an. Aus seiner Sicht könnte in der beschriebenen Alarmierungslösung das Alarmsystem je nach Schwere der Störung die entsprechende Meldung an den Wartungstechniker zustellen, der gerade erst seine Schicht begonnen hat und somit noch sehr leistungsfähig ist. „Im Bereitschaftsmodus erkennt das System, ob ein Wartungstechniker bereits schläft. Für eine möglichst nachhaltige Einsatzplanung ist es besser, den schlafenden Wartungsmitarbeiter schlafen zu lassen“, verdeutlicht Dr. S. Hennig den Nutzen. Solche Szenarien können mit Smartwatches schon heute im Rahmen der Industrie 4.0 realisiert werden. „Menschen interagieren und kollaborieren mit Maschinen; beide müssen hierfür aber viele Informationen über sich preisgeben“, gibt Dr. S. ­Hennig zu bedenken.

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