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Laut einer aktuellen Cisco-Studie befindet sich Deutschland auf einem guten Weg zur Industrienation 4.0 – es könnte aber schneller gehen. Es ist kein Geheimnis, dass der Datenverkehr und die Anzahl an vernetzen Geräten in den nächsten Jahren massiv ansteigen werden. Das belegt auch der jährliche Cisco Visual Networking Index (VNI). Er verdeutlicht zudem, dass Deutschland noch mehr in den Breitbandausbau investieren muss: Hochgerechnet auf den Status quo wächst die Durchschnittsgeschwindigkeit zwar von 44 Mbit/s auf 75,2 Mbit/s. Doch im Vergleich mit Industrienationen, wie USA (100,5 Mbit/s) und China (98,9 Mbit/s), zeigt sich, dass nun weiter konsequent daran gearbeitet werden muss, den Anschluss noch zu schaffen. „Wir müssen in Deutschland nicht nur die Funkabdeckung in ländlichen Gebieten verbessern, sondern gleichzeitig auch in mehr Bandbreite investieren. Zusätzlich besteht wegen der Einführung von 5G weiterer Investitionsbedarf“, erklärt Uwe Peter, Director Service Provider von Cisco Deutschland, allgemein.

5G-Acia

Der Mobilfunkstandard 5G ist heute laut Herbert Wegmann von Siemens „eine intelligente Kombination unterschiedlicher Technologien“. Alle Experten sind sich sicher, dass 5G auch in der smarten Fabrik eine bedeutende Rolle beigemessen wird. „Mit ihm wird es möglich, in Fabriken komplett neue Systemansätze und Lösungen einzuführen – und das sicher“, sagte Roland Bent, Vorstandsmitglied des ZVEI-Fachverbands Automation, auf einer ZVEI-Pressekonferenz während der SPS IPC Drives im November 2018. „Vor einem Jahr haben wir auf der SPS IPC Drives gefordert, dass 5G industriefähig ausgebaut werden muss. Seit dem ist viel geschehen, auf dem politischen Parkett wie auch im ZVEI“, erklärte er weiter.

Mit der 5G Alliance for Connected Industries and Automation (5G-Acia) wurde eine Initiative geschaffen, die die Industriesicht in die internationale 5G-Standardisierung einbringen soll. ­5G-Acia hatte im April 2018 mit 26 Mitgliedern ihre Arbeit ­aufgenommen. Das Besondere dabei war, dass sich in dieser internationalen Initiative sowohl Vertreter der klassischen ­Automatisierungs- und Fertigungsindustrie als auch führende Unternehmen aus dem Bereich der IKT-Industrie zusammengeschlossen haben. „Heute steht die 5G-Acia bei über 40 Mitgliedern. Die Initiative setzt sich aus 16 Unternehmen aus der Automatisierungs- und Fertigungsindustrie, 15 Unternehmen aus der IKT-Industrie, sieben Instituten aus dem wissenschaftlichen Bereich und zwei Unternehmen aus dem Bereich Test- und Zertifizierung zusammen“, berichtet R. Bent. Mit dieser Mitgliederstruktur sieht er eine gute Basis geschaffen, um die weitere Expansion voranzutreiben und die 5G-Acia als weltweit wichtigstes Forum für das Thema 5G im Kontext Industrie 4.0 zu etablieren. Bereits heute seien Mitglieder aus China, Europa, Japan, Korea und den USA an Bord. „Mit China Mobile konnten wir beispielsweise den weltweit größten Netzbetreiber mit etwa 800 Mio. Mobilfunkkunden als Mitglied gewinnen“, so R. Bent. Da sich die Initiative sehr dynamisch entwickle, geht er zeitnah von einem weiteren „signifikanten“ Mitgliederwachstum aus.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Die industrielle Nutzbarmachung der Mobilfunktechnologie 5G ist eine große Herausforderung für alle Beteiligten: „Einerseits ist es wichtig, das Wissen aus den unterschiedlichen Industrien methodisch effektiv zusammenzuführen und andererseits da­raus gemeinsame Beiträge für die internationale Standardisierung und Regulierung auszuarbeiten – und zwar im Rahmen des international vorgegebenen Zeitplans“, erklärt R. Bent. Dafür sei seit Anfang November 2018 die Initiative sogenannter „Market Representation Partner“ im 3rd Generation Partnership Project (3GPP) zuständig, eine weltweite ­Kooperation von Standardisierungsgremien für die Standardisierung des Mobilfunks.
Im Weiteren verweist er auf die Ende November von der Bundesnetzagentur bekannt gegebenen Vergabebedingungen und Auktionsregeln für das 5G-Frequenzspektrum. „Der ZVEI hat sich von Beginn an für die Reservierung des Bereichs 3,7 GHz bis 3,8 GHz für industrielle Anwendungen und die Vergabe entsprechender lokaler Lizenzen in diesem Bereich eingesetzt.Als Elektroindustrie haben wir eine klare Position zu 5G: Ein ganz eindeutiges ,Ja‘ zu lokalen 5G-Netzen auf den Werks­geländen. Denn wenn diese 5G-Netze nicht schnell kommen, verspielen wir unsere Führungsrolle bei Industrie 4.0. Es geht um die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. Deshalb müssen wir beim 5G-Ausbau schnell vorankommen und alle mitanpacken“, so R. Bent.

Weichenstellung in 2019

Für Vodafone-Deutschland-CEO Dr. Hannes Ametsreiter wird 2019 das Jahr der Weichenstellung sein: „Wenn wir alle in zehn Jahren unseren Kindern von 2019 erzählen, könnte unsere Geschichte auf zweierlei Arten beginnen. Die eine wird sein: Weil wir’s genau 2019 vermasselt haben, sind wir heute da, wo wir sind. Die andere: Es war vor exakt zehn Jahren, als wir anfingen, eure Zukunft zu bauen.“ Er ist überzeugt, 2019 kann deutsche Digitalgeschichte geschrieben werden. Denn jetzt würden die entscheidenden Weichen für die Gigabit-Gesellschaft gestellt – auch im Mobilfunk. Dr. H. Ametsreiter: „Im Mobilfunk kann Deutschland mit investitionsfreundlicher Politik eine erstklassige 5G-Infrastruktur bauen, die unsere gesamte Wirtschaft auch in Zukunft an der Spitze hält. 5G kann eine Netzrevolution werden, die für zahlreiche Branchen und Industrien neue Anwendungen mit sich bringt und unseren Alltag in vielen Bereichen lebenswerter macht.“ Und bezüglich der 5G-Acia-Bestrebungen, lokale 5G-Netze für Fabriken einzuführen, lautet seine Meinung: „Wir können aber auch Klientelpolitik für einzelne Spieler, die Infrastruktur gar nicht selbst bauen, sondern sich über ­‚National Roaming‘ ins gemachte Netz anderer Betreiber setzen wollen, betreiben.“ Als zentrales Standbein für die digitale Revolution und wichtigen Schritt zu 5G nennt er das Vodafone-Maschinennetz (Narrowband IoT). Dabei handelt es sich um eine optimierte LTE-Variante, die bei Vodafone auf den tief liegenden „LTE 800“- Frequenzen aktiviert wird. Im Oktober gab das Unternehmen an, die Technologie in mehreren tausend Städten und Gemeinden aktiviert zu haben und dass diese damit nun in 90 % des LTE-Netzes verfügbar sei. Im Maschinennetz können theoretisch bis zu 4 Mrd. Geräte gleichzeitig funken. Eine einzige Mobilfunkzelle kann mit der Technologie bis zu 50.000 Gegenstände parallel vernetzen.

Auch Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, thematisierte 5G in seiner Eröffnungsrede zur Digital 2018 Ende Oktober in Köln. „Die Digitalisierung ist ein großes Geschenk für uns. Deutschland hat ein starkes industrielles Rückgrat. In der zweiten Hälfte der Digitalisierung geht es nun darum, die Produktion und die Produkte zu vernetzen. Hier liegen Chancen für Deutschland und Europa.“ Die Telekom wolle helfen, Deutschland zu digitalisieren. Der Aufbau eines 5G-Netzes sei dazu ein wichtiger Baustein, ist auch seine Überzeugung. Mit ­ihrem Acht-Punkte-Programm habe die Telekom sich als erster Anbieter klar zum Ausbau positioniert. „Andere sind noch bei Forderungen, wir sind schon im Umsetzungsmodus“, sagte T. Höttges. Dazu zählt er auch den engen Austausch mit der ­Industrie, deren Anforderungen ebenfalls berücksichtigt würden. „Wir sehen uns als Partner der Industrie und des Mittelstands in Deutschland und Europa. Wir schließen in den kommenden Jahren 3.000 Gewerbegebiete direkt mit Glasfaser an, 400.000 Unternehmen profitieren davon. Wir investieren Milliarden in ­modernste Breitbandinfrastrukturen, ob im Festnetz oder Mobilfunk.“ Europa sei gefordert, eine industriepolitische Vision zu entwickeln.

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